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Kontrast

Haftpflichtversicherung

Haftpflichtversicherung und Deliktsunfähgkeit
Eine Haftpflichtversicherung ist für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung in der Regel nicht möglich bzw. nicht sinnvoll. Die Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) stehen einer Versicherung für sogenannt geistig behinderte Menschen regelmäßig entgegen.
Die Versicherungsgesellschaften bieten danach Versicherungsschutz gegen Ansprüche aufgrund „gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen“. Die „gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen“ sehen in § 827 S. 1 BGB vor:

"Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich."

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 829 BGB nur vor, wenn das Ergebnis, dass der behinderte Mensch nicht haftet, unbillig wäre. Vereinfacht gesagt, erscheint es in solchen Situationen ungerecht, die geschädigte Person den Schaden tragen zu lassen. Dies ist eine Frage des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände. Zu berücksichtigen sind zum Beispiel die Vermögensverhältnisse des geschädigten Menschen und des schädigenden Menschen.

Der sogenannte geistig behinderte Mensch wird allerdings typischerweise als schutzbedürftig und auch finanziell schlecht gestellt angesehen werden, dass er nicht haften muss, und zwar nach der Rechtsprechung auch dann nicht, wenn der schädigende Mensch eine freiwillige Haftpflichtversicherung hätte.
Nachdem deliktsunfähige Menschen nach den gesetzlichen Bestimmungen (§827 Satz 1 BGB) nicht haften, wird eine Versicherung in der Regel behaupten, der geistig beeinträchtigte Mensch habe den konkreten Schaden im Zustand der Deliktsunfähigkeit begangen, und die Regulierung verweigern. Der Nutzen einer solchen Versicherung beschränkt sich für den behinderten Menschen dann darauf, die Schadenersatzforderung nicht selbst abwehren zu müssen, sondern dies durch die Versicherung erledigen zu lassen.

Soziales Miteinander und praktisch erschwerte Teilhabe
Wie uns aus unserer Beratungspraxis bekannt ist, fühlen sich behinderte Menschen nicht ernst genommen und diskriminiert.
Ein im Zustand der Deliktsunfähigkeit verursachter Schaden wird von der Haftpflichtversicherung nach AHB nicht getragen. Der Schaden ist demnach vom geschädigten Menschen zu tragen, sofern keine Aufsichtspflichtverletzung eines Betreuers bzw. der Eltern gegeben ist.
Die Erfahrung zeigt, dass kleinere Schäden häufig durch die Eltern des behinderten Menschen beglichen werden, selbst wenn keine rechtliche Verpflichtung dazu bestünde.
In anderen Situationen muss die geschädigte Person den Schaden selbst tragen. Es besteht dann die Gefahr, dass behinderte Menschen insgesamt negativ wahrgenommen und abgelehnt werden.
Im Extremfall sind behinderte Menschen dann von Teilhabe ausgeschlossen, weil für von ihnen möglicherweise verursachte Schäden kein Versicherungsschutz besteht.

Bekannt ist, dass geistig beeinträchtigte Kinder wegen „Versicherungsproblemen“ von der musikalischen Früherziehung ausgeschlossen werden. Entsprechende Probleme lauern auch bei der Wohnungssuche, bei einer verweigerten Mitgliedschaft im Sportverein (problematisch hier insbesondere die Unfallversicherung), oder bei der Suche nach einer verantwortungsvollen Beschäftigung.

Selbstwertgefühl des behinderten Menschen wird beeinträchtigt
Schon die Mitteilung, nicht in eine Versicherung aufgenommen zu werden, beeinträchtigt das Selbstwertgefühl behinderter Menschen.
Unabhängig davon, ob die geschädigte Person oder die Eltern den Schaden letztlich tragen, besteht die Gefahr, dass Schuldgefühle gegenüber den Personen entstehen, die den Schaden ausgleichen. Außerdem wird der fehlende Versicherungsschutz im Schadensfall nochmals als diskriminierend erlebt.

negatives Bild von behinderten Menschen
Es besteht außerdem die Gefahr, dass die geschädigte Person allgemein eine negative Einstellung zu behinderten Menschen entwickelt oder verstärkt, und zwar unter Umständen auch über die Gruppe der Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung hinaus.

Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW